Die Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit wurden Ende des 18. Jahrhunderts von Frankreich nach Deutschland getragen. Das sogenannte Heilige Römische Reich bestand aus mehr als 1.700 reichsunmittelbaren Territorien, es war weder heilig, noch römisch noch ein Reich ( Voltaire) . Deutsche, die damals von Demokratie und Freiheit träumten, hofften die Fackel der Demokratie würde von Frankreich nach Deutschland getragen, andere in Deutschland sahen in dieser Entwicklung eine Gefährdung der alten Ordnung. Aber schon bald wurde aus dem Konsul Bonaparte der Kaiser Napoleon. Beethoven der vorgehabt hatte seine 3. Symphonie ( Eroica ) Napoleon zu widmen, nahm von dieser Idee Abstand. Frankreich, das anfangs die Idee der Freiheit durch Europa tragen wollte, war zu einer imperialistischen Macht geworden. Ergebnis der Befreiung von französischer Vorherrschaft war die weitgehende Restauration der alten Ordnung. Aus den über 1.700 Territorien in Deutschland waren ca 20 Staaten geworden, aber die Idee von Freiheit und Einheit – einmal in Köpfen und Herzen – blieb da.
Die Revolution von 1848 hatte zwei große Ziele, Freiheit und Einheit. Dies jedoch zu erreichen, war eine noch viel größere Aufgabe als 70 Jahren zuvor in Frankreich. Frankreich hatte nämlich die staatliche Einheit bereits gehabt. Die überwiegend biederen, bürgerlich-liberalen Vertreter der 48er waren damit eindeutig überfordert. Um ihre Ideale verwirklichen zu können, hätten sie erstmal alle Fürsten ins Exil jagen oder auf die Guillotine schicken müssen. Stattdessen boten sie dem König von Preußen an, König von ganz Deutschland zu werden. Der lehnte natürlich ab und die 1848 Revolution war letztendlich gescheitert. Vermutlich hätte man sich erst einmal entscheiden müssen, welches Ziel man vorrangig anstreben wollte, Freiheit oder Einheit.
Dann trat ein Mann in den Focus der Geschichte, für den das keine Frage war, Bismarck. Die nationale Einheit wollte er, mit Freiheit hatte er es nicht so sehr. Es war entschlossen, die deutsche Einheit, wie er sie sich vorstellte, mit „Blut und Eisen“ durchzusetzen. 1862 wurde der konservative Hardliner preußischer Ministerpräsident, weil er der einzige war, der bereit war die von König gewollte Heeresreform ohne die notwendige Zustimmung des Parlaments einfach durchzuziehen. Dann legte er los. Im dänischen Krieg drängte er Dänemark ( der dänische König war damals Herzog von Schleswig, Holstein und Sachsen-Lauenburg ) aus Deutschland heraus. Anschließend nahm er Streitigkeiten mit den Habsburgern um die Verwaltung der Herzogtümer Holstein und Schleswig zum Anlass einen Krieg mit der Habsburger Monarchie zu beginnen, diese aus Deutschland heraus zu drängen und bei dieser Gelegenheit die Herzogtümer Schleswig und Holstein, das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen und die Stadt Frankfurt zu annektieren. Weiterhin war er überzeugt, dass sich ein Krieg mit Frankreich auf Dauer nicht zu vermeiden war und so provozierte es durch eine bewusste Verfälschung der Emser Depesche den Deutsch-Französischen Krieg. Am Ende stand die Niederlage Frankreichs und die Proklamation des preußischen Königs zum Kaiser des deutschen Reiches. Er hatte gesiegt und alle Liberalen jubelten ihm zu. Es folgte eine Reichsordnung in dem der Reichskanzler nur dem Kaiser verantwortlich war, von ihm ernannt und erlassen wurde ohne Zustimmung des Reichstags. Allein das Budget-Recht des Reichtags war manchmal lästig für die Reichsregierung. Als Reichsfeinde galten unter Bismarck Sozialdemokraten und der politische Katholizismus. Eine Ordnung war entstanden, in der ein uniformierter Offizier der Reichswehr ( Hauptmann von Köpenick ) wesentlich mehr galt als ein gewählter Reichstagsabgeordneter.
Zur Ehrenrettung des innenpolitischen Reaktionärs Bismarck soll nicht unerwähnt bleiben, außenpolitisch blieb er trotz allem moderat. Er hielt die Annexion Elsass-Lothringens für falsch und betrachtete Deutschland für gesättigt. Aber die Geister des Militarismus und des neuen deutschen Imperialismus, die er auf den Plan gerufen hatte, waren einmal da. Deutschland wollte sich seinen „Platz an der Sonne“ aggressiv erkämpfen. Auch Liberale ( zB Friedrich Naumann ) stießen voll ins Horn einer imperialistischen Politik. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es eines Funkens bedurfte, den ersten Weltkrieg auszulösen. Es führt ein direkter Weg von Sedan nach Verdun. Der erste Weltkrieg führte zu der totalen Niederlage Deutschlands, diese löste 1918 die November-Revolution aus, danach folgte die Weimarer Republik. Allerdings wollten die Militaristen ihre Niederlage nicht eingestehen, sie erfanden die Dolchstoß-Legende, ohne die November-Revolution wäre der erste Weltkrieg für Deutschland nicht verloren gewesen. Viele glaubten das und das führte dazu, dass die Weimarer Republik von breiten Teilen der Bevölkerung nicht akzeptiert wurde, sondern als ein Ergebnis einer nicht notwendigen militärischen Niederlage angesehen wurde. Von dieser Lüge führt ein direkter Weg zu Hitler und dem Versuch, die Geschichte noch einmal herauszufordern und Deutschland als Weltmacht zu etablieren. Wie dies ausging ist bekannt.
Es ist unhistorischer Unfug, von jahrhundertelanger glorreicher deutscher Geschichte zu schwafeln und 1933-1945 als Betriebsunfall der Geschichte abzuhaken. In der historischen Entwicklung der letzten 200 Jahre liegt eine bestimmte Logik. Diese Logik heißt : Wer sich nicht um Verständigung unter den Völkern bemüht, sondern stattdessen eigene Vorstellungen aggressiv verwirklichen will, wer sich nicht als Teil einer größeren Völker Gemeinschaft sieht, die versuchen muss friedlich und kooperativ die Probleme anzugehen, der führt sich und andere ins Verderben. Mir erscheint es manchmal wie ein Wunder, aber es ist ein Verdienst der vielen, die Deutschland nach 1945 wieder aufgebaut haben. Heute sieht es so aus, als ob die überwiegende Mehrheit der Deutschen, diese Lektion gelernt hat. Nehmen wir das zum Anlass stolz zu sein und uns zukünftig als ein Teil eines großen und friedlichen Europas zu verstehen, das Teil einer Weltgemeinschaft ist, die die großen Herausforderungen des 21.Jahrhunderts nur gemeinsam bestehen wird.