Wie ich als ehemaliger Adenauer Kritiker dazu kam seine Leistung zu bewundern

Anlässlich des 145. Geburtstages von Konrad Adenauer noch einmal eine persönlich gehaltene Würdigung seiner Person und seiner Leistung. Je älter ich werde, und je mehr ich mich mit den Voraussetzungen, unter denen er 1949 Kanzler wurde, beschäftigt habe, desto mehr bewundere ich seine Leistung in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Zu der Zeit, als ich als junger Mensch begann mich für Politik zu interessieren, ging die Ära Adenauer gerade zu Ende. Ich erlebte ein Deutschland, in dem man sich mehrheitlich weigerte, sich intensiv mit der Nazi-Vergangenheit zu beschäftigen, ein Deutschland in dem braune Richter in Amt und Würden waren und in Polizei, Verwaltung und anderen wichtigen Funktionen des Staatsapparats jede Menge Leute mit Nazi Vergangenheit. Chef des Bundeskanzleramts war Hans Globke, der das „J“ in den Pässen von Juden mit konzipiert hatte und 1938 daran gearbeitet hatte, das Namensrecht für Juden zu verändern, der sogar im Verdacht stand für die Deportation von Juden aus Nordgriechenland in Vernichtungslager in Polen verantwortlich zu sein. Und an der Spitze der Bundesregierung hatte 14 Jahre lang Konrad Adenauer gestanden, der all dies zumindest billigend in Kauf genommen hatte. Nebenbei ein Mann, der noch 1932 die Gefahr des Nationalsozialismus total unterschätzt hatte, der noch am 6. August 1932 an Paul Graf Wolff-Metternich zur Gracht geschrieben hatte: „Die Zentrumspartei verlangt dringend den Eintritt der Nationalsozialisten in die Reichsregierung. Sie wird bereit sein, alsdann diese Regierung zu tolerieren.“ Kein Wunder, für mich war Konrad Adenauer in den 1960ern trotz mancher unbestrittener Leistungen ( zB der Versöhnung mit Frankreich ) ein Symbol für deutsche Politik, die sich weigerte eine dringend notwendige Abrechnung mit der Zeit der Nazi-Verbrechen vorzunehmen.

Übrigens im Wahlkampf 1961 ( Adenauer und Brandt waren Spitzenkandidaten von Union und SPD ) machte Globke laut CIA-Dokumenten Brandt das Angebot, aus dessen Exilzeit resultierende vorgebliche Vaterlandsverratsvorwürfe nicht zum Wahlkampfthema zu machen, vorausgesetzt, die SPD würde das Thema Globke nicht verwenden. Brandt soll – so die Unterlagen – auf den Vorschlag eingegangen sein. Eigenartig, fragte ich mich, was war das für eine Wählerschaft 1961, bei der die mögliche Beteiligung an Holocaust Verbrechen offensichtlich aufzurechnen war gegen die Tatsache, dass ein von Nazis gesuchter Widerstandskämpfer vorübergehend norwegische Uniform getragen hatte.

Erst Jahrzehnte später, als ich mich bei Vorarbeiten zu meinem Buch “ Und die da reden von Vergessen“ mit vielen Details der frühen deutschen Nachkriegsgeschichte beschäftigte, wurde mir klar unter welch extrem ungünstigen Bedingungen Konrad Adenauer und andere nach 1945 beginnen mussten, ein freiheitlich demokratisches Deutschland aufzubauen. In den Jahren 1945-49 ( für die 1950er gibt es keine entsprechenden Untersuchungen ) waren ca die Hälfte der Deutschen der Meinung, der Nationalsozialismus sei eine gute Sache gewesen, nur in einigen Fragen schlecht gemacht ( belegt durch von US Militär beauftragte Untersuchungen) . Unter diesen Umständen erscheint Adenauers Bemerkung „Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat!“ nicht mehr unverständlich.

Auch am anderen Ende des politischen Spektrums gab es genug Gegenwind. Ungefähr ein Achtel der Bevölkerung standen kommunistischen Ideen positiv gegenüber und befürworteten nach dem Krieg sozialistische Lösungen sowjetischer Prägung. In der SPD – anfangs teilweise auch in der CDU ( Ahlener Programm 1947 ) wurde eine Wirtschaftsordnung mit staatlicher Lenkung und weitgehender Verstaatlichung der Großindustrie favorisiert.

Und die Teile bürgerlicher Kreise, die sowohl dem Nationalsozialismus als auch allen Spielarten des demokratischen Sozialismus immer deutlich ablehnend gegen über standen ? Nicht untypisch für die Einstellung eines großen Teils diese Kreise ist zB Franz Oppenhoff, vom US Miltär auf Empfehlung des katholischen Bischofs von Aachen als Oberbürgermeister eingesetzt und am 25. März 1945 von einem Nazi Kommando ermordet ( dieser Mord spielt übrigens in meinem Buch „Und die da reden von Vergessen“ eine wesentliche Rolle) . Er lehnte die Vorstellung, in Deutschland wieder eine Parteien-Demokratie einzuführen entschieden ab. Offensichtlich befürwortete er so etwas wie eine ständische Ordnung. Dies geht eindeutig aus den Vernehmungsprotokollen des US Militärs hervor. Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang die Erinnerungen von Saul K. Padover, einem US Geheimdienstoffizier, der in dieser Zeit in Deutschland tätig war, ( Psychologist in Germany: The Story of an American Intelligence Officer ).

Konrad Adenauer und andere, die anfangs eindeutig in der Minderheit waren, hatten aber einen klaren Kompass. Sie wollten Deutschland als eine liberale repräsentative Parteien-Demokratie aufbauen. Gleichzeitig wurde ein kapitalistisches Wirtschaftssystem angesteuert, das aber eine soziale Ausprägung haben sollte. Adenauer wusste ganz klar, ohne eine florierende Wirtschaft mit gleichzeitig deutlichen sozialen Komponenten würde keine Akzeptanz des demokratischen Systems erreicht werden. So setzte er beispielweise die Rentenreform von 1957 gegen Widerstände Ludwig Erhards und anderer wirtschaftsliberaler Kräfte in der Union durch. So verhinderte er Altersarmut und schaffte gleichzeitig breite Akzeptanz für seine Politik.

Was uns heute selbstverständlich erscheint, eine liberale Demokratie, ein freies Wirtschaftssystem ergänzt durch eine Vielzahl sozialer Absicherungen, eine klare Westbindung und Deutschland in einem Europa, in dem seit Jahrzehnten Frieden herrscht, das war vor mehr als 70 Jahren alles andere als selbstverständlich. Deshalb meine ich – auch wenn die notwendige Aufarbeitung des NS Vergangenheit erst von der Nachkriegsgeneration durchgeführt wurde – sollten wir dankbar sein für das, was ist. Konrad Adenauer – am 5. Januar vor 144 Jahren geboren – hat daran einen wesentlichen Anteil .

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