Den Bundestag verkleinern und mal eben nebenbei vielleicht einige lästige Mitbewerber loswerden?

Vorab gesagt, ich bin Mitglied keiner politischen Partei und auch kein Fan der CSU oder der Linken. Wenn ich jetzt Kritik an der von der Regierungsmehrheit beschlossenen Wahlrechtsänderung äußere, hat diese nichts mit politischen Präferenzen oder Abneigungen zu tun.

Wir haben in Deutschland weitgehend ein Verhältniswahlrecht, das durch Direktmandate etwas durch Elemente eines direkten Persönlichkeits-Wahlsystems ergänzt wird. Das Prinzip war, die Hälfte des Bundestages sollte aus direkt gewählten Abgeordneten (Erststimme) bestehen, die andere Hälfte aus Mitgliedern, die über Listen der Parteien (Zeitstimme) ins Parlament kommen. Nach bisherigem Wahlrecht wurde gewonnene Direktmandate ggf durch Überhangmandate so ausgeglichen, dass die Zusammensetzung des Bundestags ziemlich genau dem Zweitstimmenergebnis entsprach. Da die Zahl der Überhangmandate immer größer wurde, wuchs die Mitgliederzahl des Bundestages ständig. Es sollte ein Gesetz her, das diese Entwicklung stoppt. Ursprünglich wollte die Ampel den Bundestag auf die gesetzlich vorgesehenen 598 Abgeordneten reduzieren. Nun ist nur noch eine Reduzierung auf 630 vorgesehen.  Eine Partei bekommt jetzt nur noch so viele Sitze, wie ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Hat sie mehr Wahlkreise gewonnen, als ihr danach Sitze zustehen, bekommen die Wahlkreissieger mit den schlechtesten Wahlergebnissen keinen Platz im Bundestag. Soweit hält sich das verabschiedete Gesetz an die allgemein akzeptierte Zielvorstellung, Reduzierung der Zahl der Abgeordneten ohne dabei bisherige Grundsätze wesentlich zu ändern.

An einer Stelle wird dann aber von den seit 50 Jahren geltenden Grundsätzen abgewichen. Seit im Juni 1953 die 5% Hürde eingeführt wurde, gab es immer zwei Voraussetzungen um in den Deutschen Bundestag einzuziehen, von denen eine zu erfüllen war. 5% der gültigen Stimmen bundesweit erreicht zu haben, oder eine bestimmte Zahl von Direktmandaten (meistens 3) errungen zu haben. Hiervon wird jetzt nach fünf Jahrzehnten erstmal abgewichen. Nur wer bundesweit die 5% Hürde überspringt, zieht in den Bundestag ein, egal wieviel Direkt-Mandate er gewonnen hat. Die Grundmandats-Regel hatte in erster Linie den Sinn, die Vertretung von Parteien zu sichern, die nur in bestimmten Bundesländern kandidieren oder ihren Schwerpunkt haben. 1953 und 1957 ging es vor allem um die Deutsche Partei (DP), die nur in Norddeutschland vertreten war. 2021 profitierte Die Linke hiervon, 3 Direktmandate bei 4,9% der Zweistimmen bundesweit. Bei zukünftigen Wahlen könnte also die Linkspartei durch den Wegfall der Grundmandatsklausel nicht mehr im Bundestag sein, aber auch die CSU, die im Jahre 2021 5,2% der Zweitstimmen bundesweit erhielt, kann trotz sicherlich vieler Direktmandate bei der nächsten Wahl nicht sicher sein, überhaupt in den Bundestag zu kommen. Zuletzt waren es 8,6% der Stimmen, die durch die 5% Hürde weggefallen sind und zu keiner Vertretung im Bundestag führten. Dieser Anteil könnte sich bei der nächsten Bundestagswahl mehr als verdoppeln. Das wäre meiner Meinung nach keine Entwicklung, die Demokratie-förderlich ist und in einigen Regionen sogar zu großer Demokratie-Verdrossenheit führen könnte. Aus diesem Grund halte ich den völligen Wegfall einer Grundmandatsklausel für falsch. Im Übrigen besteht sogar die Möglichkeit, dass Wahlkreiskandidaten von Parteien mit Landeslisten gegenüber Einzelbewerbern für den Bundestag benachteiligt sind. Letztere kommt in jedem Fall in den Bundestag, wenn er den Wahlkreis gewinnt, der Parteikandidat nur, wenn seine Partei bundesweit über 5% kommt. Ob das im Sinne der Democratie ist?

Im Übrigen ist es selbstverständlich eine legitime Meinung -meine ist es nicht- wir sollten unser Wahlrecht total umstellen und ein reines Verhältniswahlrecht ohne alle Elemente der Persönlichkeitswahl einführen. Dann bräuchten wir auch keinen Unterschied zwischen Erst und Zweitstimme mehr, nur bundesweite Listen zählen und nur wenn diese 5% erreicht kommt es zu einer Vertretung im Bundestag. Aber wenn man das will, dann soll dann das offen sagen und eine ausführliche und breite Diskussion in der Öffentlichkeit wäre notwendig. Aber eine Entwicklung dieser Art durch die Hintertür anzustoßen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Aus den angeführten Gründen kann ich nur hoffen, das BVerG stoppt dieses gerade verabschiedete neue Wahlgesetz.

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