Wenn sich das Schlechteste aus verschiedenen Kulturen vermischt

Zum Jahreswechsel 2022-23 kam es in verschiedenen deutschen Großstädten zu Randale. Gewalt, illegale Feuerwerkskörper, Angriffe auf Feuerwehrleute, die den Schaden begrenzen wollten usw. Es ist kein Geheimnis, dass zu großen Teilen die Täter junge Männer waren, die in sozialen Brennpunkten leben und sehr oft Migrationshintergrund haben. Sofort kamen in den Diskussionen danach bestimmte Schlagworte auf wie „kulturelle Überfremdung“ und auch andere Begriffe. Bemerkenswert ist, solche Parolen wurden nicht nur von den üblichen Rechtsextremen benutzt, sondern auch Politikern, die sich selbst gern der Mitte zuordnen.

Die Probleme die hinter den Silvester-Krawallen stehen sind sicherlich vielschichtig. Natürlich haben wir auch ein Integrationsproblem, bestimmte Jugendliche mit Migrationshintergrund betreffend, die in unserer Gesellschaft keine ökonomische und soziale Perspektive für sich erkennen können. Aber es ist gefährlicher Schwachsinn, zu suggerieren, das Problem sei, hier träfen verschiedene Kulturen aufeinander. Es gibt keine Kultur, zu deren Kennzeichen es gehört, Feuerwehrleute die im Einsatz sind, gewaltsam anzugreifen.

Toxische Männlichkeit, zu der es auch gehört, bei auftretenden Konflikten sehr schnell Gewalt einzusetzen, ist leider ein Phänomen in vielen Kulturen. Es mag sein, dass diese Form der Männlichkeit in den Kulturen, aus denen die Täter zum Teil stammen, noch verbreiteter ist als bei uns. Andererseits ist Alkohol Genuss, und damit leider auch verbunden relativ häufiger Alkohol-Abusus kein Kennzeichen der Herkunftskultur, dieser Leute, Das ist eher etwas, was bei uns häufiger anzutreffen ist. Sozialer Frust und die Vermischung unterschiedlicher Phänomene, die verschiedenen Kulturen zuzurechnen sind, finden wir also unter den Ursachen.

Und wie ist auf solche Randale zu reagieren? Kurzfristig und Vorort hilft nur konsequente Polizeiarbeit, die sich durchaus durch Härte auszeichnen kann. Zu zurückhaltende polizeiliche Aktionen, würden von solchen Leuten eher als ein Zeichen der Schwäche ausgelegt. Die rechtlichen Voraussetzungen für solche Polizeieinsätze sind -meiner Einschätzung nach – vorhanden. Langfristig ist natürlich gute Sozialarbeit und Integration gefragt. Hierbei sollte man sich durchaus die positiven Seiten aller Kulturen zu Nutze machen.

Bertolt Brecht und der liebe Gott

Einer meiner Lieblings-Schriftsteller ist schon seit meiner Schulzeit Bertolt Brecht. Er war einer der ganz großen deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts, ein engagierter Gesellschaftskritiker, der in vielen Fragen politisch weit links stand, aber niemals Mitglied einer politischen Partei gewesen ist und Atheist war er -obwohl viele das vermuten- bestimmt nicht. Eine entsprechende Frage wurde von ihm einmal ausdrücklich verneint. Und auf die Frage nach seiner Lieblingslektüre antwortete er „die Bibel“.

Eine sehr wichtige Frage, die viele Menschen und auch Brecht beschäftigen ist die, was unser Leben lenkt, ist es der Zufall? gibt es schicksalhafte Fügungen oder steht vielleicht sogar eine lenkende göttliche Kraft dahinter? Mit dieser Frage beschäftigt sich Brecht in einer Erzählung, die im Jahre 1908 im Schlachthofviertel von Chicago spielt. Die Tagelöhner und Arbeitslosen verbringen ihre Abende, so auch den Heiligen Abend, gemeinsam in trostloser Atmosphäre bis etwas eigenartiges geschieht:

„Und der Wind wehte scheußlich vom Michigan-See herüber durch den ganzen Dezember, und gegen Ende des Monats schlossen auch noch eine Reihe großer Fleischpackereien ihren Betrieb und warfen eine ganze Flut von Arbeitslosen auf die kalten Strassen.

Wir trabten die ganzen Tage durch sämtliche Stadtviertel und suchten verzweifelt nach etwas Arbeit und waren froh, wenn wir am Abend in einem winzigen, mit erschöpften Leuten angefüllten Lokale im Schlachthofviertel unterkommen konnten. Dort hatten wir es wenigstens warm und konnten ruhig sitzen. Und wir saßen, so lange es irgend ging, mit einem Glas Whisky, und wir sparten alles den Tag über auf dieses eine Glas Whisky, in das noch Wärme, Lärm und Kameraden mit einbegriffen waren, all das, was es an Hoffnung für uns noch gab.

Weihnachtsstimmung auf dem Tiefpunkt

Am Weihnachtsabend fühlten sich diese Männer ebenso elend wie sonst, bis ein paar Übermütige mit etwas Geld in die Kneipe kamen und allen Anwesenden Whisky spendierten. Die Lust auf Späße sprang über und man überlegte sich «Weihnachtsgeschenke»: für den Wirt einen Kübel schmutziges Schneewasser, für den Kellner eine leere Konservendose und für einen einsamen, schweigsamen Mann etwas Besonderes:

Es war nämlich unter uns ein Mann, der musste einen schwachen Punkt haben. Er sass jeden Abend da, und Leute, die sich auf dergleichen verstanden, glaubten mit Sicherheit behaupten zu können, dass er, so gleichgültig er sich auch geben mochte, eine gewisse, unüberwindliche Scheu vor allem, was mit der Polizei zusammenhing, haben musste. Aber jeder Mensch konnte sehen, dass er in keiner guten Haut steckte.

Genaueres wusste niemand, so nahmen die Witzbolde ein paar Blätter mit den Adressen von Chicagoer Polizeiposten und packten sie in eine herumliegende Zeitung, denn Geschenkpapier gab es keines.

Das Geschenk und die Überraschung

Es trat eine große Stille ein, als wir es überreichten. Der Mann nahm zögernd das Paket in die Hand und sah uns mit einem etwas kalkigen Lächeln von unten herauf an. Ich merkte, wie er mit den Fingern das Paket anfühlte, um schon vor dem Öffnen festzustellen, was darin sein könnte. Aber dann machte er es rasch auf.

Und nun geschah etwas sehr Merkwürdiges. Der Mann nestelte eben an der Schnur, mit der das «Geschenk» verschnürt war, als sein Blick, scheinbar abwesend, auf das Zeitungsblatt fiel, in das die «interessanten» Adressbuchblätter geschlagen waren. Aber da war sein Blick schon nicht mehr abwesend. Sein ganzer dünner Körper (er war sehr lang) krümmte sich sozusagen um das Zeitungsblatt zusammen, er bückte sein Gesicht tief darauf herunter und las. Niemals, weder vor- noch nachher, habe ich je einen Menschen so lesen sehen. Er verschlang das, was er las, einfach. Und dann schaute er auf. Und wieder hatte ich niemals, weder vor- noch nachher, einen Mann so strahlend schauen sehen wir diesen Mann.

«Da lese ich eben in der Zeitung», sagte er mit einer verrosteten mühsam ruhigen Stimme, die in lächerlichem Gegensatz zu seinem strahlenden Gesicht stand, «dass die ganze Sache einfach schon lang aufgeklärt ist. Jedermann in Ohio weiss, dass ich mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun hatte.» Und dann lachte er.

Und wir alle, die erstaunt dabei standen und etwas ganz anderes erwartet hatten und fast nur begriffen, dass der Mann unter irgendeiner Beschuldigung gestanden und inzwischen, wie er eben aus dem Zeitungsblatt erfahren hatte, rehabilitiert worden war, fingen plötzlich an, aus vollem Halse und fast aus dem Herzen mitzulachen, und dadurch kam ein großer Schwung in unsere Veranstaltung, die gewisse Bitterkeit war überhaupt vergessen, und es wurde ein ausgezeichnetes Weihnachten, das bis zum Morgen dauerte und alle befriedigte.

Und bei dieser allgemeinen Befriedigung spielte es natürlich gar keine Rolle mehr, dass dieses Zeitungsblatt nicht wir ausgesucht hatten, sondern Gott.“

Ich wünsche euch allen ein angenehmes Weihnachtsfest

Putin und Hitler machten den gleichen Denkfehler

Putin war sich zu Beginn des Jahres seiner Sache wohl ziemlich sicher. Die kleine Ukraine hätte gegen das große Russland militärisch keine Chance. Und der Westen? Direkt militärisch eingreifen würde der sicher nicht. Und außerdem sei er ja an einer preisgünstigen und sicheren Gasversorgung interessiert, und dieses ökonomische Eigeninteresse werde letztendlich von fast allen wesentlich höher geschätzt als irgendwelche völkerrechtlichen Prinzipien, die keiner so richtig ernst nimmt. Das hatte ihm wohl auch sein Freund Gerhard Schröder so bestätigt. Ein paar scharfe Proteste würde es natürlich geben, aber nach einiger Zeit flacht das alles ab, man arrangiert sich mit den Realitäten im Interesse der Friedenspolitik und natürlich auch im Interesse der eigenen Wirtschaft und des warmen Wohnzimmers.

Er hat sich mehrfach verrechnet, bezüglich der eigenen militärischen Stärke, bezüglich des Widerstandswillens und der Widerstandskraft der Ukrainer, aber auch bezüglich des Westens. Allerdings weiß man nicht, wie die westlichen Länder sich verhalten hätten, wenn -wie manche „Experten“ es vorausgesagt hatten- nach einer Woche der militärische Sieg Russlands sich klar abgezeichnet hätte. Erfahrungsgemäß werden in solchen Situationen die Stimmen der „Realisten“ schnell sehr laut. Bei der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim hatte Putin entsprechende Erfahrungen gemacht. Aber insgesamt hat Putin wohl zu sehr auf die Kräfte im Westen gesetzt, die zu einer widerlichen Kollaboration mit dem militärisch Stärkerem bereit sind unter Verrat aller internationalen Prinzipien und Werte.

Eine ähnliche Fehleinschätzung lag bei Hitler Ende der 30er Jahre vor. Die Länder des Westens waren nicht seine Hauptgegner. Deutschlands Interessen lagen seiner Ideologie folgend im Osten, dort galt es, Lebensraum zu erobern. Wenn Frankreich und GB still gehalten hätten, wäre überhaupt kein West-Feldzug zu führen gewesen. Es gab ja Kräfte zB in Frankreich, die vor dem 2.Weltkrieg die Frage stellten „mourir pour Dantzig?“ Aber da sich diese im Westen nicht durchsetzen konnten, sah Hitler die Notwendigkeit, Frankreich und die BENELUX Länder in einem kurzen Feldzug nieder zu ringen, bevor er ein Jahr später seinen Eroberungskrieg Richtung Osten begann. Gleichzeitig hoffte Hitler, Großbritannien würde es auf Dauer leid sein, sich tief in einen verlustreichen europäischen Krieg zu engagieren, wo doch die eigenen Interessen auf den Weltmeeren und in außereuropäischen Gebieten lagen. Da würde das UK schon bald einen Frieden akzeptieren, der zwar schändlich wäre, aber den wirtschaftlichen Interessen der englischen „Krämerseelen“ halbwegs entgegenkäme.

Auch Hitler hat sich kräftig verrechnet. Die Schlagkraft seiner eigenen Truppen entsprach zwar eher seinen Erwartungen, als es mehr als 80 Jahre später bei Putin der Fall war, aber er unterschätzte vieles: den Widerstandwillen der Völker, deren Land er in Blitzkriegen besetzte, den Durchhaltewillen und den Stolz der britischen Nation, die Bereitschaft der USA sich zu engagieren, um Hitlers Eroberungsdrang und Weltmachtstreben ein Ende zu setzten und natürlich auch seine eigene miltitärische Fähigkeit einen mehr-Fronten-Krieg längere Zeit durchzustehen. So endete Hitlers Großmannssucht -wie wir wissen- Ende April 1945 im Führerbunker in Berlin.

Wie Putins politische Karriere enden wird, wissen wir noch nicht. Gescheitert ist er. Einzelheiten bleiben abzuwarten. Wichtig und hoffnungsvoll ist aber die Erkenntnis, sein Kalkül, kurzfristige nationale und wirtschaftliche Interessen im Westen würden ihm erlauben, erfolgreiche Eroberungskriege zu führen, ist gescheitert. International anerkannte Grenzen werden nicht mit Gewalt verändert. International anerkannte Prinzipien und Werte sind nicht wertlos (trotz mancher zynischen Realpolitik). Dass dies weiter so bleibt, ist wichtiger als, wie das Schicksal des Kriegsverbrehers Putin im letzten Akt endet.

Huckleberry Finn und Jim / Sklaverei ist kein christlicher Wert

Bei der Lektüre von Huckleberry Finn fiel mir schon vor langer Zeit folgendes auf: Hucklebery, der auf den geflohenen Sklaven Jim trifft, kommt in schlimme Gewissensnöte. Wenn er dem Sklaven, der doch Eigentum eines anderen ist, eines guten Christen sogar, bei seiner Flucht hilft, begeht er dann nicht eine Sünde? Jemandem sein Eigentum wegnehmen ist doch Diebstahl? Wenn er, Huckleberry jetzt dem Sklaven hilft, wird nicht vielleicht sogar ewige Verdamnis sein Strafe sein? Doch Huckleberry entscheidet sich, in seinem Gewissenskonflikt einfach der Stimme seines Herzens zu folgen und er macht gemeinsame Sache mit Jim.

An dieser Stelle wurde mir klar, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war wohl kirchliche Lehre in den Südstaaten der USA, Sklaverei sei legaler Besitz und Sklavenbefreiung sei eine schwere Sünde. Diese Haltung gibt Mark Twain in den Gedanken Huckleberrys hier wieder. Sklaverei war ein Teil der herrschenden Besitzverhältnisse, und die weiße christliche Kirche legitimierte diese Verhältnisse, indem sie diese als Teil der göttlichen Ordnung darstellte. Ähnliches erleben wir oft in der Religionsgeschichte. Bestehende Herrschaftsverhältnisse oder regierende Monarchen leiten sich selbst von Gott ab und erhalten die Bestätigung der Kirche. So bezog sich zB der preußische König Friedrich Wilhelm IV auf die „von Gott naturgegebene Ungleichheit“ als er die Verfassung von 1848 ablehnte und diese Haltung ließ er durch einen Bibelzitate-Mix untermauern, den er auf die Kuppel des Berliner Stadtschlosses eingravieren ließ. ( die Möglichkeit einer temporärer Überblendung dieser Inschrift führte jüngst zu heissen politischen Debatten ).

Die Grundwerte des Christentums sind Glaube, Liebe und Hoffnung. Welche Entscheidungen der einzelne Christ auf Grund dieser Werte in einer konkreten Situation trifft, muss er selbst mit seinem Gewissen vereinbaren. Es ist ein Mißbrauch der christlichen Botschaft, wenn manchmal behauptet wird, wer zB ein bestimmtes historisches Zitat überblenden will, handele unchristlich. Wer solche Thesen in einer politischen Auseinandersetzung propagiert, sollte daran denken: „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen“.

Pazifismus und Verteidigungskrieg ein 2000 Jahre altes Dilemma

„Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ So lautet eine der Seligpreisungen der Bergpredigt. Christentum eine pazifistische Religion? Widersprüche finden wir schon im Neuen Testament. Kurz vor seinem Tod empfiehlt Jesus seinen Jüngern sich zu bewaffnen. „Wer dies nicht hat, soll seinen Mantel verkaufen und sich ein Schwert kaufen.“ (Lukas 22,36) . Aber als einer der Jünger kurz darauf von seinen Schwert in Widerstand gegen die Festnahme Jesu Gebrauch macht, sagt er: „Lasst es! Nicht weiter! Und er berührte das Ohr und heilte den Mann.“ (Lukas 22,51).

Die christlichen Gemeinden der ersten drei Jahrhunderte ertrugen Verfolgungen ohne in irgendeiner Form gewaltsam dagegen zu reagieren. Einsicht in die Zwecklosigkeit bei der Macht des römischen Staatsapparats oder tiefe pazifistische Überzeugung? Aber schon die Synode von Arles 314 – ein Jahr nach dem Mailänder Toleranzedikt – erlaubte Christen den römischen Kriegsdienst. Hundert Jahre später formulierte der Kirchenvater Augustinus vier Kriterien für einen gerechten Krieg, causa justa, recta intensio, legitima potestas, dira necessitas. Kurz zusammengefasst, wenn ein gerechter Grund (zB Verteidigungskrieg), eine angemessene Intension (keine Eroberungslust) ein legitimer Staat und eine harte Notwendigkeit vorliegen, dann ist ein Krieg auch aus christlicher Sicht unvermeidbar.

Im Mittelalter und in früher Neuzeit beschäftigten sich besonders Thomas von Aquin und Martin Luther mit der Frage des gerechten Krieges. Thomas von Aquin hielt den Krieg grundsätzlich für Sünde, meinte aber es gebe Situationen, in denen sich der Christ zur Sünde bereit erkären müsse, nämlich den Verteidigungskrieg ( bellum defensivum). Martin Luther vertrat die Zwei-Reiche- und Zwei-Regimenter-Lehre, als Angehöriger des Reiches Gottes solle der Christ schon auf Erden nach der Bergpredigt leben und die andere Wange hinhalten. Als Angehöriger des Reiches der Welt dagegen solle er nach geltendem Recht dem Unrecht wehren und ggf. Krieg führen. Kurz: Für sich als Privatperson solle er keine Gewalt ausüben und ggf. Unrecht erleiden. Für andere als Amtsperson solle er dem Unrecht -falls nötig- Gewalt anwenden und auch Krieg führen.

Fast dreihundert Jahre später schrieb Kant unter dem Eindruck der Französischen Revolution 1795 seine berühmte Schrift „Zum Ewigen Frieden“, in der er die Ideen eines republikanischen Staatsrechts, eines Völkerbundes und eines Weltbürger-Menschenrechts entfaltete. Es müsse ein Weltbürgerrecht bzw. öffentliches Menschenrecht eingerichtet werden, damit jeder Bürger in jedem Staat gleiche Rechte genießen könne. Kants Vorstellungen waren hohe Ideale, die weit weg waren von der Realität seiner und späterer Zeiten. Die Menschenrechtslage blieb sehr unterschiedlich in verschiedenen Staaten und unabhängig davon wurden Kriege von allen je nach Lage aus Opportunitätsgründen provoziert und mit aller Härte geführt. Erst Bertha von Suttner inititierte Ende des 19. Jahrhunderts eine Friedens- Tierschutz- und Frauenbewegung, die Kriege grundsätzlich verurteilte. „Die Religion rechtfertigt nicht den Scheiterhaufen, der Vaterlandsbegriff rechtfertigt nicht den Massenmord, und die Wissenschaft entsündigt nicht die Tierfolter.“ Aber so richtig und verständlich ihre Forderung „die Waffen nieder“ war, sie verhinderte nicht, dass im 20. Jahrhundert die schlimmsten Kriege der Menschheitsgeschichte geführt wurden.

Im 21. Jahrhundert stehen wir im Grunde immer noch vor dem gleichen Dilemma, wie vor 2000 Jahren. Krieg widerspricht dem Willen Gottes, ist ein Totalversagen der Menschheit und kann niemals legitimiert werden. Ein nachhaltiger Frieden würde allerdings eine Weltordnung voraussetzen – wie Kant sie u.a. forderte – die weit weg ist von der Realität. Jeder vernünftige Mensch -ob Christ, Anhänger einer anderen Religion oder Atheist – wird natürlich der einfachen Wahrheit zustimmen, dass Verhandeln besser als Krieg führen ist, aber gleichzeitig kommen wir nicht an der alten Weisheit vorbei. „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ ( Schiller , Wilhelm Tell)

Daraus folgt, wir müssen mit dem Widerspruch leben, wenn wir Waffen liefern, machen wir uns mitschuldig an der Tötung von Menschen. Wenn wir es nicht tun, aber auch. Deshalb ist das konkrete Verhalten abhängig zu machen von dem Gegner mit dem man es zu tun hat. Es ist eine Tatsache, es gibt Menschen, die Entgegenkommen als Schwäche auslegen und Waffenstillstand als eine Gelegenheit Kriege vorzubereiten.

Einschätzung der Situation und Gewissensentscheidung legen im Fall des russischen Überfalls auf die Ukraine m.M. eine möglichst umfangreiche Unterstützung der Ukraine mit allen wirksamen Waffen nahe.

Eine geopolitische Illusion ist gescheitert

„Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Doch bin ich einfach der Meinung, dass Europa sicher und langfristig den Ruf eines mächtigen und real selbstständigen Mittelpunkts der Weltpolitik festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturressourcen, mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird.“ (Putin im September 2001 im Deutschen Bundestag) Starker Beifall von allen Bundestagsfraktionen.

Eine faszinierende geopolitische Idee. Drei Machtzentren in der Welt: die USA, China und dazwischen Europa einschließlich Russland, das vom Gesamtpotential sogar der größte Global Player sein könnte. Allerdings machte man sich nicht klar, dass Putin wohl einen europäischen Machtblock unter russischer Führung im Sinn hatte. Auch wurde weitgehend verdrängt, dass die Vorstellungen Putins, was Demokratie, Menschenrechte und Selbstbestimmung der Völker betrifft, sich sehr wesentlich von denen des Westens unterschieden.

Warnzeichen gab es von Anfang an genug. Die 2001 von der russischen Regierung breit durchgeführten Militär-Operationen in Tschetschenien wurden als innerrussische Angelegenheiten im Rahmen eines Anti-Terror Kampfes abgehakt. Ob die Sprengstoffanschläge 2 Jahre vorher tatsächlich von tschetschenischen Terroristen begangen wurden, oder vielleicht von Putin inzeniert waren, wird wohl immer ungeklärt bleiben. Tatsache ist, mehrere Duma Abegordnete, die Untersuchungen dazu anstellten, wurden später ermordet.

Gleichzeitg wurden ultrakonservative Randfiguren in den Staatsmedien und der Politik zunehmend einflussreicher, die von ihnen propagierte Ideologie, eine Mischung aus Orthodoxie, Sowjetnostalgie und einem gegen den Westen gerichteten russischen Neo-Imperialismus, wurde zum Mainstream in Russland. All dies wurde in Deutschland ignoriert oder kleingeredet.

Kaukasuskrieg, Invasion and Annexion der Krim, militärische Unterstützung der selbsterklärten Volksrepubliken in Donesk und Luhansk in der Ostukraine, militärische Unterstützung auf Seiten des Assad Regimes in Syrien, militärische Unterstützung des Kampfes gegen die libysche Regierung auf Seiten Marschall Haftars mit Wagner Söldner hätten alles deutliche, weitere Warnzeichen sein müssen. Trotz allem wurde Putin Russland von der deutschen Außenpolitik eher als ein -zwar schwieriger- Partner als ein Gegner angesehen.

Alle Illusionen, zusammen mit Russland eine friedliche Ordnung in Europa aufzubauen, sind am 24. Februar 2022 mit dem von Putin befohlenen Überfall auf die Ukraine endgültig zerbrochen. Lange genug wurde Putin indirekt ermuntert, immer einen Schritt weiter zu gehen. Es darf -auch nicht ansatzweise- eine Rückkehr zu der fatalen Politik geben, mit Putin gemeinsam eine Friedensordnung in Europa aufzubauen. Alle russischen Eroberungsversuche müssen vollständig scheitern. Zugleich sollte die Idee des „Westens“ neu etabliert werden: Es ist kein geografisches Konzept, sondern es geht um Staaten, die Ideen und Prinzipien teilen, wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.

In diesem Sinne. Kein Fussbreit dem Faschismus ( auch wenn es ein russischer ist).

  Slawa Ukrajini

Der Ukrainekrieg zeigt, an der Hufeisentheorie ist wohl doch was dran

Die Hufeisentheorie geht davon aus, dass das politische Spektrum einer Gesellschaft mit einem Hufeisen vergleichbar ist. Dabei sind die beiden Enden des Hufeisens ( rechts- und linksextrem ) sich ziemlich nah. Ich gebe zu, ich stand dieser Theorie lange ziemlich skeptisch gegenüber. Ein wesentlicher Grund dafür war, meine Annahme, zumindest wenn es gegen den Faschismus geht, könnte die demokratische Mitte auf die Kräften linksaußen zählen. Erfahrungen aus der Zeit gegen Ende der Weimarer Republik sprachen zwar dagegen, aber ich hoffte auf die Lernfähigkeit.

Nun haben wir aber die Situation, in der Putin Russland das Land auf der Welt ist, das am deutlichsten die von Umberto Eco formulierten 14 Kriterien des Urfaschismus erfüllt, und dieses faschistische Russland führt einen Eroberungskrieg gegen die Ukraine. Da sollte eigentlich jeder denkende Mensch erwarten, die Kräfte am linken Rand des politischen Spektrums, die sich gerne als die Avangarde des Antifaschismus aufspielen, ständen besonders fest an der Seite der Ukraine. Nichts davon. Obwohl man doch davon ausgehen kann, auch sehr weit links hat man mitbekommen, dass Moskau nicht mehr die Zentrale des Weltkommunismus ist, klingen Stellungnahmen von Politikerinnen wie Sarah Wagenknecht oft zum Verwechseln ähnlich denen des Rechtsaußen Höcke.

Was die Kräfte an den politischen Rändern wohl eint, ist eine Verachtung für unsere repräsentative Demokratie und ein stark verinnerlichter Anti-Amerikanismus. Welche Schlussfolgerungen sollten aber die demokratischen Kräfte der Mitte aus dem ziehen? Ich meine, es kommt darauf an, sich klar zu manchen, was -trotz aller manchmal harten politischen Auseinandersetzungen- unsere gemeinsamen demokratischen Werte sind und diese mit aller Entschlossenheit zu verteidigen. „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ ( Winston Churchill )

In diesem Sinne

Es lebe die Demokratie!

Sláva Ukrayíni!

Wollen wir die Gefahr eines 3. Weltkriegs verringern? Dann müssen wir der Ukraine mit allen Mitteln helfen !

Am 1. September 1939 überfiel Hitler-Deutschland Polen. Dies war der Beginn des 2. Weltkrieges in Europa, der sich mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 und den Überfall Japans auf Pearl Harbor im Dezember 1941 zum größten Krieg in der bisherigen Geschichte der Menschheit ausweitete. Unsagbares Leid und Zerstörung, die Zahl der Todesopfer kann nur geschätzt werden. Wenn man alle Opferzahlen zusammenrechnet, kommt man mit Sicherheit auf mehr als 60 Millionen.

Nie wieder Krieg, war eine Forderung, der sich nach dieser Katastrophe jeder gern anschloss. Die Realität sah allerdings anders aus. 242 Kriege fanden seitdem statt, davon 170 als innerstaatlich zu klassifizieren, bleiben mehr als 70 Kriege, an denen mehrere Länder direkt beteiligt waren. Was aber in den letzten 77 Jahren vermieden werden konnte, war allerdings eine direkte militärische Konfrontation der Großmächte. So haben wir uns daran gewöhnt, Kriege als unvermeidbar hinzunehmen, sind uns allerdings bisher ziemlich sicher gewesen, einen 3. Welkrieg wird es nicht mehr geben. So haben die Menschen in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg allerdings auch gedacht. Mehr als 9 Millionen gefallene Soldaten und eine vermutlich ähnlich große Opferzahl durch Hunger und Krankheiten. Das musste doch jeden zur Vernunft bringen. Allerdings hielt die „Vernunft“ nur 21 Jahre an. Diesmal haben wir mehr als die dreifache Zeit ohne Weltkrieg erleben dürfen. Hat man also doch aus der Geschichte gelernt?

Der Hauptfehler der Westmächte in den dreißiger Jahren, dass sie die Dimension der Gefahr nicht erkannten, weil sie die Aggressivität und Gefährlichkeit der Gegner unterschätzten. Sie gingen davon aus, auf der Gegenseite Leute zu haben, die im Grunde ähnlich waren, wie sie selbst, bei denen man auf common sense setzen konnte. Chamberlain im UK glaubte, die „Tauben“ unter den Nazis ( zu denen zählte er übrigens Göring und Goebbels ) durch Zugeständnisse stärken zu können und so Deutschland zu einer friedlicheren Politik bewegen zu können. Eines seiner wichtigsten Ziele war ein kollektives, vertraglich vereinbartes Sicherheitssystem der europäischen Staaten, das dann den Frieden garantieren würde. Roosevelt erkannte zwar schon 1937, dass man es mit sehr gefährlichen Staaten zu tun hatte. Er forderte in einer Rede im Oktober 37, Deutschland, Italien und Japan unter politische „Quarantäne“ zu stellen und hoffte so die Gefahr eindämmen zu können. Daladier in Frankreich war häufig von der Duldung oder Unterstützung wechselnder politischer Lager abhängig, wenn es außenpolitisch Ernst wurde, schloss er sich meist der britischen Regierung an. Solche Haltungen sahen Hitler und auch die japanische Führung eher als Zeichen der Schwäche, gingen immer weiter, bis letztendlich – wenn man die Aggressoren nicht grenzenlos gewähren lassen wollte – der 2. Weltkrieg unvermeidlich wurde.

Und heute? Wir haben es zu tun mit Putin in Russland, für den der Zerfall des Sowjet-Imperiums die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts war und der offensichtlich bereit ist, alles zu tun, um diese Katastrophe Schritt für Schritt rückgängig zu machen. Wir haben es zu tun mit der klerikalen Führung des Iran welche eine Aussenpolitik verfolgt, die den Machtanspruch des radikalschiitischen Islam mit Antiimperialismus und Führerschaft in der Dritten Welt verbindet. Wir haben es zu tun mit China, das offensichtlich eine langfristige Strategie verfolgt seinen Einfluss nicht nur in Asien, sondern auch in Afrika und Lateinamerika auszuweiten, und dabei internationale Normen so zu beeinflussen, dass sie kompatibel mit den eigenen autoritären Vorstellungen werden. China wird aber jede Gelegenheit benutzen, US oder europäischen Einfluss in Asien zurückzudrängen. Als wichtiger erster Schritt wird auf jeden Fall die -notfalls gewaltsame- Einverleibung Taiwans angesehen.

In dieser hochbrisanten weltpolitischen Situation spielt Russland offensichtlich die Speerspitze der Kräfte, die auf jeden Fall nicht zulassen wollen, dass Völker sich in souveräner Entscheidung einer freiheitlich westlichen Lebensform zuwenden. China beobachtet mit Sicherheit den Ausgang in der Ukraine genau. Wenn es auch nur zu einem wesentlichen Teilerfolg Putins kommt, wird das Peking zu einer aggressiven Vorgehensweise in der Taiwan Frage ermutigen. Was der Iran mit der Rückendeckung Putins alles versuchen könnte, stelle ich mir lieber nicht im Einzelnen vor. Die historische Erfahrung lehrt uns, je länger man wartet, Leute wie Putin oder Hitler mit allen zur Verfügung stehenden Kräften wirksam zu stoppen, umso mehr wächst die Gefahr sich weltweit ausweitender Kriege. Deshalb: Stoppt Putins Aggression jetzt ! Slawa Ukrajini !

Sprache: gendergerecht ja, verhunzen nein:

Die deutsche Sprache kennt – mal abgesehen von neutrum – zwei Geschlechter (männlich und weiblich). Gender Studien gehen davon aus, es gibt ca 60, zusätzlich muss man zwischen Gender (Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen) und Sex (biologisches Geschlecht) unterscheiden. Die Welt ist kompliziert geworden. Früher schien alles klar. Als mein Vater Ende der fünfziger Jahre Briefe an die Handwerkskammer schrieb, meinte er, die Anrede „sehr geehrte Herren“ sei ausreichend. Als Elisabeth Schwarzhaupt im November 1961 Bundesministerin wurde, hatten manche ein Problem mit der Anrede. „Frau Minister“ oder „Frau Ministerin“ oder wie sollte man die Dame jetzt ansprechen? Wir sind sechzig Jahre weiter und können über so etwas nur noch lächeln. Doch die Probleme im Verhältnis zwischen Sprache und Geschlecht sind deutlich vielfältiger geworden.

Wie lösen wir die sich daraus ergebenden vielfältigen sprachlichen Probleme? Ich schlage vor: Mit Ruhe und Gelassenheit in der Erkenntnis, Sprache ist etwas Lebendiges. Deshalb kann und sollte ihre Entwicklung nicht aus ideologischen Gründen – oder welchen Gründen auch immer – künstlich forciert werden. Erstens verhunzen wir damit unsere Sprache und zweitens werden künstlich forcierte Entwicklungen von einer breiten Mehrheit sowieso nicht angenommen und verlaufen im Sande. Damit leugne ich keinesfalls eine Interdependenz zwischen Sprache und Bewusstsein und erst recht nicht die Tatsache, dass mit einer Veränderung des Bewusstseins unsere Sprache sich auch verändern wird. In Bezug auf eine vom patriarchalischen Denken geprägte Sprache ist dies in einem gewissen Maße bereits geschehen. Vielfalt und Toleranz sind etwas sehr Gutes, aber mit sprachlichen Direktiven, ausgegeben von einer schmalen intellektuellen Elite, fördern wir diese Werte nicht.

Ich versuche an einigen Beispielen klar zu machen, was ich meine. Sinnvoll finde ich auf jeden Fall, wenn unsere Sprache zum Ausdruck bringt, es gibt zwei biologische Geschlechter. Wir können doch zB sagen „die Lehrerinnen und Lehrer and dieser Schule“ . Das Gegenargument, durch ein bis zwei Worte mehr würde der Text unnötig in die Länge gezogen, halte ich für unehrlich und vorgetäuscht. Wenn man aber statt mit ein-zwei Worten mehr mit Gender* (Lehrer*innen) oder Gender_ das Vorhandensein von zwei Geschlechtern zum Ausdruck bringen will, sage ich ehrlich, mein ganzes Sprachgefühl sträubt sich dagegen. Auch wenn ich lese „Göttin sei Dank“ , kann ich mich mit dieser Formulierung nicht anfreunden. Bei einem amerikanischen Schriftsteller habe ich aber mal einen -meiner Meinung nach- exzellenten sprachlichen Stolperstein gefunden, der unser patriarchalisches Gottesbild hinterfragt. Er schreibt „God“ und fährt dann fort „she“.

Sprachliche Handstände, wie „Menschen mit Gebärmutter“ zu sagen, halte ich für verfehlt. Personen, die gemeint sind, sind zu weit mehr als 99% Frauen. Transmänner, die eine Gebärmutter haben, sind in einer – zumindest sprachlich – zu vernachlässigenden Minderheit. Versagen wir wirklich dieser Minderheit unseren Respekt, wenn wir solche künstliche Sprachkonstruktionen vermeiden? Ich meine, es gibt genügend andere Möglichkeiten zum Ausdruck zu bringen, dass man Diskriminierungen von sexuellen Minderheiten ablehnt. Verlässliche Zahlen, wieviel Menschen in Deutschland insgesamt dem Oberbegriff „Transgender“ zuzurechnen sind., gibt es nicht. Schätzungen schwanken zwischen 0,3% und 0,6% der Bevölkerung. Sie müssen vor Diskriminierungen geschützt werden und dürfen keinesfalls mit abwertenden Begriffen oder Schimpfworten belegt werden.

Abschließend möchte ich sagen, die hier geäußerte Ansicht, stellt meine persönliche Meinung dar. Selbstverständlich kann man anderer Meinung sein. Aber wir sollten Diskussionen hierüber mit Respekt führen. Leider habe ich festgestellt, oft wird gerade von Leuten, die sich sonst ihrer Liberalität und Toleranz rühmen, mit ideologischer Unerbittlichkeit und Unterstellungen gearbeitet. Das vergiftet die Atmosphäre und schadet nur. Also, Respekt Freunde!.

Wie kam es zum ersten, wie zum zweiten Weltkrieg, womit ist die Situation 2022 vergleichbar ?

„Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Dieser Satz wird Mark Twain zugeschrieben und der Grundgedanke dahinter ist sicher richtig. 1 zu 1 Wiederholungen in der Geschichte gibt es nicht, aber durchaus ähnliche Grundmuster, aus denen man teilweise ableiten kann, welche historischen Fehler man besser nicht wiederholt. In einer Zeit, in der – nicht völlig zu Unrecht – Befürchtungen laut werden, wir könnten uns in einem Vorstadium zu einem dritten Weltkrieg befinden, macht es deshalb Sinn, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie war die Situation vor den ersten beiden Weltkriegen.

In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg galten militärische Auseinanderstzungen als ein legitimes Mittel der Politik. Es gab damals zwei große Machtblöcke in Europa. Den Mittelmächten mit Deutschland, Österreich-Ungarn, Türkei, Bulgarien und Italien auf der einen Seite stand die Entente mit Frankreich, dem United Kingdom, Russland auf der anderen Seite gegenüber. Auf dem Balkan gab es ein Bündnis zwischen Serbien, Bulgarien und Griechenland mit Russland als Schutzmacht im Hintergrund. Erhebliches Konfliktpotential hatte sich angehäuft. Als am 28. Juni 1914 der österreichische Thronfolger in Sarajewo ermordert wurde, musste dies nicht zwangläufig zu einem Krieg führen. So war sich Österreich-Ungarn zuerst durchaus nicht sicher, wie hart man gegen Serbien vorgehen solle und suchte Rückendeckung in Deutschland, wo man anfangs teilweise zögerte. Eine Notiz von Kaiser Wilhelm II – „Mit den Serben muss aufgeräumt werden und zwar bald!“- sorgte dafür, dass Österreich-Ungarn einen „Blankoscheck“ für ein hartes Vorgehen bekam. Da Serbien dem Ultimatum aus Wien nicht unverzüglich nachkam, führte es dazu, dass am 28. Juli Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte. Auf Grund der Bündnisverpflichtungen und der internationalen Interessenlage war es absehbar, dass andere europäische Großmächte bald reagieren würden. In Deutschland zählte jetzt nur noch die militärische Logik. Da der deutsche Generalstab davon ausging, Russland würde für eine Mobilmachung bis zu 2 Monate brauchen, war vorrangiges Ziel, Frankreich unter Missachtung der Neutralität Belgiens und Luxemburgs durch einen schnellen Angriffkrieg über den rechten Flügel (Schlieffenplan) zu überrennen. So kam es am 2. August zur Kriegserklärung Deutschlands an Luxemburg, am 3. August an Frankreich, am 4. August an Belgien. Der erste Weltkrieg, der große Verwüstungen über Europa brachte und ungefähr 17 Millionen Menschen das Leben kostete, hatte begonnen. Das entstand in einer Zeit, wo Krieg als legitimes Mittel der Politik angesehen wurde und zwei Bündnissysteme sich gegenüberstanden und man allgemein davon ausging, zumindest begrenzte Kriege seien bald unvermeidbar.

Ganz anders war die Situation in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg. Nach dem traumatischen Erfahrungen des ersten Weltkrieges waren die Völker Europas kriegsmüde und hofften auf eine lange Periode des Friedens. Dieses Wunschdenken führte in den dreißiger Jahren dazu, dass man die Entwicklung in Deutschland, die sich unter Hitler und den Nazis anbahnte nicht Ernst genug nahm. Dabei hatte Hitler aus seinen Vorstellungen keinen Hehl gemacht. Ein deutsches Großreich sollte entstehen, weit über die Grenzen von 1914 hinaus, Österreich, die Tschechoslowakei und Westpolen sollten dazugehören, Frankreich seiner Großmachtstellung beraubt werden und die Deutschen sollten sich zusätzlich neuen Lebensraum im Osten erobern. Das alles war aus seinen Äußerungen und Schriften klar zu erkennen. Statt dies als Gefahr deutlich zu sehen, meinte man durch Entgegenkommen Deutschland – das wohl durch den Versailler Vertrag zu sehr gedemüdigt worden sei – beschwichtigen zu können und so den Frieden zu sichern. Daher ignorierte man, dass Hitler die allgemeine Wehrpflicht einführte ( was den zahlenmäßigen Beschränkungen des Friedensvertrages widersprach), seine Truppen in das entmiltarisierte Rheinland einmarschieren ließ, in Österreich einmarschierte, Anschluss des Sudentenlandes mit Drohungen erzwang und trotz des Münchener Abkommens anschließend in die Rest-Tschechoslowakei einmarschierte. Auch Unterdrückung der Opposition und Judenverfolgung nahm man nicht als ausreichende Warnzeichen, mit wem man es zu tun hatte. Erst als Hitler am 1. September 1939 erklärte gegen Polen würde „zurückgeschossen“, reagierten die westlichen Länder und der zweite Weltkrieg, dessen Auswirkungen noch viel schlimmer als die des ersten waren, war unvermeidlich geworden.

Historische Fragen „was wäre gewesen wenn?“ kann man natürlich nie endgültig beantworten. Trotzdem stelle ich die Frage einfach mal in den Raum: Wäre der zweite Weltkrieg nicht vielleicht zu vermeiden gewesen, oder zuminest nicht so unsagbar schlimm ausgefallen, wenn man Hitler – auch unter Einsatz militärischer Mittel – viel früher Grenzen gesetzt hätte. Und wenn wir die Situation heute mit der vor den beiden Weltkriegen vergleichen, dann ist es eindeutig, die Entwicklung in den letzten Jahren ist ähnlicher der vor dem zweiten als der vor dem ersten Weltkrieg. Deshalb bin ich sicher, der Weg zur Vermeidung eines neuen Weltkrieges führt nicht über Appeasement sondern darüber, dass dem dem Aggressor Putin-Russland unmißverständlich Einhalt gebietet.